Grundlagen: Brauche ich in Deutschland ein Rezept für Physiotherapie?
Ja, in Deutschland brauchst du für Physiotherapie in der Regel ein ärztliches Rezept. Physiotherapie gehört zu den sogenannten Heilmitteln und wird von den Krankenkassen nur mit einer ärztlichen Verordnung übernommen.
Nach einer gründlichen Untersuchung entscheidet dein Arzt, ob Physiotherapie bei deinen Beschwerden sinnvoll ist. Das können Verspannungen, Gelenkschmerzen, Rückenbeschwerden oder Bewegungseinschränkungen nach Verletzungen sein.
Die einzige Ausnahme: Als Selbstzahler kannst du auch ohne Rezept zur Physiotherapie gehen. Dann trägst du allerdings alle Kosten selbst – das kann schnell teuer werden.
Verschreibung: Wer kann mir Physiotherapie verschreiben?
Verschiedene Ärzte dürfen dir Physiotherapie verordnen:
Hausärzte (Allgemeinmediziner): Sie sind meist die erste Anlaufstelle und können alle Arten von Physiotherapie verschreiben
Fachärzte: Orthopäden, Chirurgen, Neurologen, Internisten – je nach Beschwerdebild
Spezialisten: Sogar Zahnärzte (bei Kiefergelenksproblemen) oder HNO-Ärzte können Physiotherapie verordnen
Krankenhausärzte: Im Rahmen des Entlassmanagements können sie ein Rezept für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt ausstellen
Tipp: Unsicher, welcher Arzt der richtige ist? Starte bei deinem Hausarzt – er kann dich bei Bedarf zum Spezialisten überweisen oder direkt selbst verordnen.
Rezeptinhalt: Was steht auf meinem Physiotherapie-Rezept?
Ein Physiotherapie-Rezept enthält viele wichtige Informationen. Hier die Übersicht:
Persönliche Daten:
Name, Adresse, Versichertennummer
Krankenkassen-Informationen
Art der Verordnung:
EV = Erstverordnung (erste Behandlung für diese Diagnose)
FV = Folgeverordnung (Fortsetzung einer vorherigen Behandlung)
V.a.d.R. = Verordnung außerhalb des Regelfalls (mehr Einheiten als üblich)
Diagnose-Informationen:
ICD-10-Code oder Kurzdiagnose
Diagnosegruppe (z.B. WS für Wirbelsäule, EX für Extremitäten)
Leitsymptomatik (Buchstabe A, B, C für verschiedene Hauptbeschwerden)
Verordnete Behandlung:
Therapieform mit Kürzeln (KG, MT, MLD etc.)
Anzahl der Einheiten (z.B. 6x) • Sitzungsdauer (z.B. 20 Min)
Ergänzende Maßnahmen (Wärme, Kälte, Elektrotherapie)
Zeitliche Vorgaben:
Ausstellungsdatum
Behandlungsfrequenz (z.B. 1-3x pro Woche)
Ggf. Vermerk "dringend"
Wichtig: Ohne Arztstempel und Unterschrift ist das Rezept ungültig!
Fristen: Wie lange ist ein Physiotherapie-Rezept gültig?
Die Fristen sind entscheidend – verpasst du sie, verfällt dein Rezept:
Behandlungsbeginn:
Normalfall: Innerhalb von 28 Tagen nach Ausstellung
Dringlichkeit vermerkt: Innerhalb von 14 Tagen
Nach Klinikentlassung: Innerhalb von 7 Tagen
Behandlungsdauer:
Bis 6 Einheiten: 3 Monate Zeit
Mehr als 6 Einheiten: 6 Monate Zeit
BG-Rezepte: Meist nur 2 Monate
Unterbrechungen:
Maximal 14 Tage Pause erlaubt
Bei längeren Unterbrechungen: Grund auf dem Rezept vermerken lassen
Sonst kann die Krankenkasse die Behandlung stoppen
Privatversicherte: Hier gelten oft eigene Regeln – kläre die Fristen mit deiner Versicherung.
Fristen-Checkliste
□ Ausstellungsdatum prüfen
□ Frist für Behandlungsbeginn berechnen
□ Termine regelmäßig planen
□ Bei Unterbrechungen: Therapeuten informieren
Ablauf: Was passiert, wenn mein Rezept abgelaufen ist?
Rezept abgelaufen: Ist die Frist überschritten, wird das Rezept ungültig. Du musst dann:
Erneut zum Arzt gehen
Die Situation erklären
Um eine neue Verordnung bitten
Behandlung abgebrochen: Nutzt du nicht alle verordneten Einheiten, verfallen die restlichen Termine. Das ist kein Drama – sprich einfach offen mit deinem Arzt darüber.
Neues Rezept nötig: Nach einer Pause oder wenn alle Einheiten aufgebraucht sind, kannst du bei Bedarf eine Folgeverordnung bekommen. Dein Arzt entscheidet, ob weitere Behandlungen sinnvoll sind.
Kein Grund zur Panik: Ärzte kennen solche Situationen. Ein abgelaufenes Rezept kann meist problemlos neu ausgestellt werden.
Behandlungsumfang: Wie viele Behandlungseinheiten bekomme ich?
Die Anzahl der Behandlungen richtet sich nach deiner Diagnose:
Standard: Meist 6 Einheiten à 15-30 Minuten
Bei Bedarf: Auch 10 oder 12 Einheiten möglich
Maximalmenge: Der Heilmittelkatalog legt für jede Diagnose Höchstmengen fest
Sonderfall V.a.d.R.: Mit medizinischer Begründung können mehr Einheiten verordnet werden
Behandlungsfrequenz:
Akute Beschwerden: Oft 2-3x pro Woche
Chronische Probleme: Meist 1-2x pro Woche
Nach OPs: Kann auch täglich sein
Nach Aufbrauchen der Einheiten: Oft musst du 6 Monate warten, bevor du für dieselbe Diagnose ein neues Rezept bekommst. Ausnahmen sind möglich bei besonderem Bedarf.
Folgeverordnung: Wann brauche ich ein Folgerezept?
Folgeverordnung (FV): Wenn nach der ersten Behandlungsserie weitere Therapie nötig ist, stellt dir dein Arzt eine Folgeverordnung aus. Sie baut auf der vorherigen Behandlung auf.
Verordnung außerhalb des Regelfalls (V.a.d.R.):
Mehr Einheiten als standardmäßig vorgesehen
Erfordert besondere medizinische Begründung
Ermöglicht längere Behandlungsserien ohne Unterbrechung
Wann zum Arzt für ein Folgerezept:
Rechtzeitig vor Ende der aktuellen Behandlung
Bei anhaltenden Beschwerden
Wenn du merkst, dass die verordneten Einheiten nicht ausreichen
Gemeinsame Entscheidung: Besprich mit deinem Arzt, wie es nach den ersten Behandlungen weitergeht. Er kann einschätzen, ob weitere Therapie sinnvoll ist.
Mehrfachverordnung: Kann ich zwei Rezepte gleichzeitig bekommen?
Grundregel: Pro Diagnose gibt es normalerweise nur ein Rezept zur selben Zeit.
Mögliche Ausnahmen:
Verschiedene Diagnosen: Bei unterschiedlichen Problemen (z.B. Rücken UND Knie) sind theoretisch zwei Rezepte möglich
Kombinationsrezept: Oft werden verschiedene Therapiearten auf einem Rezept kombiniert (z.B. KG plus Wärmetherapie)
Praxis: Meist wartet man das Ende der ersten Verordnung ab, bevor eine neue folgt. Das ist der Standardweg.
Bei Fragen: Sprich offen mit deinem Arzt, wenn du denkst, dass zwei parallele Behandlungen nötig sind. Er erklärt dir die Möglichkeiten.
Abkürzungen: Was bedeuten die Kürzel auf meinem Rezept?
Auf deinem Rezept findest du verschiedene Abkürzungen für die verordneten Therapien. Hier die Übersicht:
Haupttherapien
Kürzel | Ausgeschrieben | Wann wird's eingesetzt |
KG | Krankengymnastik | Allgemeine Bewegungstherapie bei Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, nach OPs |
KGG | Krankengymnastik am Gerät | Gezielter Muskelaufbau und Krafttraining an Therapiegeräten |
MT | Manuelle Therapie | Gelenkblockaden, Wirbelsäulenprobleme, eingeschränkte Beweglichkeit |
KMT | Klassische Massagetherapie | Muskelverspannungen, Verhärtungen, Durchblutungsstörungen |
MLD | Manuelle Lymphdrainage | Lymphödeme, Schwellungen nach OPs oder Verletzungen |
Ergänzende Maßnahmen
Kürzel | Ausgeschrieben | Wann wird's eingesetzt |
Elektro | Elektrotherapie | Schmerzlinderung, Muskelstimulation, Durchblutungsförderung |
US | Ultraschalltherapie | Tiefenwärme bei Sehnen- und Gelenkproblemen |
Kryo | Kryotherapie (Kälte) | Akute Verletzungen, Schwellungen, Entzündungen |
Thermo | Thermotherapie (Wärme) | Muskelverspannungen, chronische Schmerzen |
Spezielle Behandlungskonzepte
Kürzel | Ausgeschrieben | Wann wird's eingesetzt |
BOB | Bobath-Therapie | Neurologische Erkrankungen (Schlaganfall, MS, Parkinson) |
PNF | Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation | Koordinationsstörungen, neurologische Ausfälle |
FBL | Funktionelle Bewegungslehre | Haltungsprobleme, funktionelle Störungen |
CMD | Craniomandibuläre Dysfunktion | Kiefergelenksprobleme, Zähneknirschen |
Zeitangaben bei Lymphdrainage
Kürzel | Bedeutung | Anwendung |
MLD-30 | 30 Minuten Lymphdrainage | Leichte Ödeme, einzelne Körperregionen |
MLD-45 | 45 Minuten Lymphdrainage | Mittlere Ödeme, mehrere Regionen |
MLD-60 | 60 Minuten Lymphdrainage | Schwere Ödeme, Ganzkörperbehandlung |
Tipp: Unsicher, was eine Abkürzung bedeutet? Frag einfach deinen Therapeuten – er erklärt dir gerne, welche Behandlung dahintersteckt und wie sie abläuft. Hier findest du unsere Ausfüllhilfe.
Therapieformen: Was ist der Unterschied zwischen KG und MT?
Krankengymnastik (KG):
Allgemeine Bewegungstherapie
Übungen für Kraft, Beweglichkeit, Koordination
Jeder Physiotherapeut kann KG anbieten
Breites Anwendungsspektrum
Manuelle Therapie (MT):
Spezielle Handgriff-Techniken
Besonders für Gelenkblockaden und Wirbelsäulenprobleme
Therapeut braucht 2-jährige Zusatzausbildung
Gezielte Mobilisation von Gelenken
In der Praxis: Oft werden beide Ansätze kombiniert. Der Hauptunterschied liegt in der Zusatzqualifikation des Therapeuten und den angewandten Techniken.
Für dich wichtig: Vertraue deinem Therapeuten – ob KG oder MT verordnet wurde, die Behandlung wird auf deine Beschwerden abgestimmt.
Diagnosegruppen: Was bedeuten EX, WS, ZN auf dem Rezept?
Diagnosegruppen ordnen deine Beschwerden ein:
WS = Wirbelsäulen-Erkrankungen (Rücken, Nacken)
EX = Extremitäten (Arme, Beine, Schulter, Knie)
ZN = Zentrale neurologische Störungen (z.B. nach Schlaganfall)
AT = Atemwegserkrankungen
SO = Sonstige Erkrankungen
Leitsymptomatik (A, B, C...):
Beschreibt dein Hauptproblem genauer
A = oft Schmerzen
B = oft Bewegungseinschränkung
C = oft Muskelschwäche
Warum das wichtig ist: Diese Codes helfen dem Therapeuten, die richtige Behandlung zu wählen. Du musst die Details nicht kennen – wichtig ist nur, dass deine Beschwerden richtig eingeordnet wurden.
Sonderfall: Was ist ein BG-Rezept?
BG-Rezept = Berufsgenossenschafts-Rezept
Wann bekommst du es:
Nach einem Arbeitsunfall
Bei einem Wegeunfall (Weg zur/von der Arbeit
Bei Berufskrankheiten
Erkennungsmerkmale
Meist gelbes Rezept (statt rosa)
Aufschrift "BG" oder "Arbeitsunfall"
Ausgestellt vom Durchgangsarzt
Deine Vorteile:
Keine Zuzahlung
Alle Kosten trägt die Berufsgenossenschaft
Oft intensivere Behandlung möglich
Besondere Regeln:
Behandlungsbeginn binnen 14 Tagen
Gesamtbehandlung meist binnen 2 Monaten
Engmaschige Kontrolle durch BG
Wichtig: Melde jeden Arbeitsunfall sofort deinem Arbeitgeber und lass dich zum Durchgangsarzt überweisen!
Letzter Tip
Ein Physiotherapie-Rezept ist kein Hexenwerk. Achte auf Fristen, nimm deine Termine regelmäßig wahr und sprich offen mit Ärzt:in und Therapeut:in. Wenn du unsicher bist – frag einfach nach. Genau dafür sind die Expert:innen da. Deine Gesundheit steht an erster Stelle – und mit dem richtigen Wissen kannst du das Beste aus deiner Therapie herausholen.